Samstag, 17. Dezember 2016

Weihnachtsfieber und Fußballenttäuschung

Inzwischen war natürlich auch der Nikolaus da und hat allen im Haus Witiko eine Freude bereitet. Nachdem am Abend zuvor alle Schuhe geputzt und vor den Kamin gestellt wurden und selbstverständlich auch ein Glas Milch und Kekse und Nüsse für den Nikolaus auf dem Tisch standen, haben sich alle am nächsten Morgen in Schlafanzug im Wohnzimmer versammelt und den Tag mit einem Stück Schokolade begonnen. Die Schokolade hat in allen Schuhen allerdings eher einen kleinen Teil ausgemacht, viel mehr haben wir alle in unseren Schuhen Nüsse und Mandarinen gefunden- es geht also ganz traditionell zu.

Am Wochenende bin ich dann zusammen mit vier anderen Camphillleuten zu einem Fußballspiel des FC Aberdeen gegangen. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich mitkommen möchte und habe natürlich nicht gezögert! Nachdem wir ein paar Pubs in der Stadt unsicher gemacht haben, ging es dann ins Stadion von Aberdeen.


Das Stadion ist wesentlich kleiner als das des DSC Arminia Bielefelds aber deutlich besser gefüllt- ich schätze was waren so 15000 Zuschauer da. Der Gegner war St Johnstone, 5. in der schottischen Liga (Aberdeen ist auf dem dritten Platz). Es hätte also ein wirklich gutes Fußballspiel auf für Schottland hohem Niveau werden können. Dem war leider nicht so. Das Spiel war mehr als schlecht und nachdem Aberdeen viele Chancen vertan hat, ging das Spiel 0:0 aus (das Ende haben wir allerdings nicht mehr mitbekommen, wir sind früher gegangen - es war echt einfach zu langweilig und zu schlecht (die Schotten lieben hohe weite Pässe)). Der Himmel über dem Stadion war um einiges schöner anzusehen...



Aberdeen ist somit auf dem dritten Platz in der Tabelle geblieben. Ich denke aber dennoch, dass ich dem Ganzen irgendwann nochmal eine Chance geben und mir ein anderes Spiel ansehen werde.



Trotzdem war es interessant, sich ein Bild von dem schottischen Fußball machen zu können - es ist echt anders als in Deutschland. Zwei der beiden Freunde, die mit mir da waren, kennen sich gut aus und haben mich über vieles aufgeklärt.
Bier darf im Stadion weder verkauft noch getrunken werden. Außerdem sind Flaggen verboten, weil sie die Sicht für andere Zuschauer behindern. Es werden ein paar wenige und kleine Flaggen vom Verein gestellt, die allerdings nur in einer kleinen Ecke auf einer Tribüne benutzt werden dürfen.
Von einer Stehtribüne war weit und breit nichts zu sehen und leider auch nichts von vielen echten Fans wie man sie aus Deutschland kennt. Geschätzte hundert Aberdeenfans saßen nah am Gästeblock und haben zwischendurch mal versucht ein paar Fangesänge anzustimmen. Die wurden aber von niemandem im Stadion fortgeführt. Die Stimmung im Stadion war also leider lau.
Insgesamt hatte ich sowieso den Eindruck, dass ein Fußballspiel in Aberdeen mehr eine Nachmittagsaktion für Familien mit Kindern ist. Wir saßen auf der Haupttribüne und waren umringt von Kindern mit ihren Eltern oder Großeltern.

Außerdem wurde mir erzählt, dass die schottische Bundesliga, wenn es um den Pokal geht, wirklich uninteressant ist. Es gibt drei Vereine, die jedes Mal ganz oben stehen. Celtic und Rangers, zwei Vereine aus Glasgow und sehr verfeindet, und Aberdeen. Den Pokal gewinnt seit Jahren Celtic mit riesigem Vorsprung. Es wurde sogar gefordert, dass Celtic in der englischen Fußballliga mitspielen darf, weil sie mit den Teams der schottischen Liga scheinbar wirklich unterfordert sind. Das wurde aber abgelehnt. Somit geht es für den anderen Club aus Glasgow und für Aberdeen in jeder Saison darum, den zweiten Platz zu erobern.


Am Tag darauf habe ich zusammen mit drei anderen Coworkerinnen dann bei der Aufführung "Santa Luccia" mitgemacht (davon habe ich ja bereits im letzten Eintrag berichtet). Es war wirklich schön und feierlich und wir haben viel Lob für unseren Gesang bekommen. An anderen Abenden haben wir dann auch noch ehemalige und erkrankte Mitarbeiter der Einrichtung in ihrem Zuhause besucht und ebenfalls für sie gesungen. Sie haben sich alle sehr gefreut und waren sichtlich gerührt- das hat uns natürlich ein gutes Gefühl gegeben.


Am Mittwoch hat auf meinem Gelände dann der sog. "advent sale" stattgefunden, eine Art kleiner Weihnachtsmarkt. Alle Mitarbeiter der Einrichtung mussten in den vergangenen Wochen 10 Dinge anfertigen, die dort dann für einen günstigen Preis an die Bewohner verkauft wurden. So haben sie die Möglichkeit, ihren Familien und Freunden etwas zu Weihnachten zu schenken. Ich habe meine bekannten Armbänder geknüpft, die auch schnell verkauft wurden.
Die große Mehrheit meiner Kollegen aus Witiko ist ja bekanntlich männlich- und die allermeisten sind wirklich nicht sehr kreativ. So kam es dann, dass am Abend zuvor ein großes Hallo in der Küche herrschte. Auf den letzten Drücker wurde dann noch versucht das Backtalent in sich zu entdecken, um ein paar Plätzchentüten verkaufen zu können. Den einen gelang es mehr, den anderen weniger...

wirklich gut gelungene kleine Stollen
das soll Spritzgebäck sein

Das Gebacke ging dann bis spät in die Nacht, weil so spontan natürlich nicht alle notwendigen Zutaten da waren und manche auch mehr als einen Anlauf gebraucht haben, um ein akzeptables Ergebnis zu erschaffen. Der Abend war also wirklich witzig und der Adventsverkauf am Tag darauf sehr schön. Es wurden auch von den Bewohnern angefertigte Produkte aus den verschiedenen Workshops verkauft (Kerzen, Holz- und Metallgegenstände, Tischdecken,...).


 


Gestern wurde auf dem Nachbargelände für uns alle ein kleines Theaterstück aufgeführt. Das Stück handelte von der biblischen Geschichte von Adam und Eva. Es ist wohl sehr typisch für anthroposophische Einrichtungen solche Stücke aufzuführen. Mir hat es gut gefallen, aber dennoch fand ich das Niveau der Sprache für die Bewohner etwas zu hoch und war sehr erstaunt, dass die Aufführung so traditionell gehalten wurde.

Jetzt geht es am Montag in die letzte Woche vor Weihnachten. Am Donnerstag, dem letzten Schultag, wird die Klasse, in der ich arbeite, ein kleines Krippenspiel für die anderen Klassen und alle Eltern aufführen (ich spiele den Herbergenbesitzer). Dafür proben wir jetzt jeden Tag und ich bin mir sicher, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen werden!

Am Freitag werde ich mich dann in den Flieger nach Deutschland setzen und Weihnachten und das neue Jahr Zuhause feiern.
Ich wünsche euch allen schöne Feiertage und kommt gut in das neue Jahr! Ceep calm, Freya:-)

Sonntag, 4. Dezember 2016

Advent, Advent...

Inzwischen ist auch hier langsam aber sicher der Herbst vorbei und der Winter steht vor der Tür. Das ganze Laub muss beseitigt werden, was die Bewohner und auch mich einige Tage beschäftigt hat.

Geländearbeit am Nachmittag

Die Bäume werden also kahler, aber die Sonne gibt ihr Bestes, um noch ein bisschen Farbe in diese graue Zeit zu bringen. Beinahe jeden Abend (inzwischen eher nachmittags) kann man wunderschöne Sonnenuntergänge beobachten und ich muss wirklich zugeben, noch nie so beeindruckende Farben am Himmel gesehen zu haben.



Die ganze Halloween- und Herbstdekoration ist nun aber der Weihnachtsdekoration gewichen und es haben auch schon einige besondere Veranstaltungen stattgefunden.

Nachdem ich Ende November mit zwei Freiwilligen am Wochenende im Kino war ("Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" ist ein sehr empfehlenswerter Film!), haben wir vor dem Einkaufscenter, in dem das Kino war, ein kleines Weihnachtsdorf entdeckt, auf dem wir dann unseren ersten Glühwein des Jahres getrunken haben (hat allerdings mehr nach Punsch geschmeckt, so süß wie der war...). Deutsche Namen der Getränke und deutsche Musik haben das Flair leider etwas zerstört. Die Schotten haben es scheinbar nicht so wirklich mit Weihnachtsmärkten.

kleines Weihnachtsdorf in Aberdeen

Um die Adventszeit zu eröffnen, hat am Freitag vor dem ersten Advent der sog. Adventsgarten oder auch die Adventsspirale stattgefunden. Diese Begriffe waren mir völlig fremd, allen anderen Freiwilligen, die eine Waldorfschule besucht haben, waren sie aber durchaus ein Begriff.
Aus Tannenzweigen wurde eine riesige Spirale in der Turnhalle erstellt, in deren Mitte eine große Kerze stand. Jeder Bewohner konnte dann mit einer kleinen Kerze durch diese Spirale laufen, um am Ende die Kerze zu entzünden und anschließend irgendwo in der Spirale zu platzieren. Für viele war das eine Herausforderung, die aber von allen gemeistert wurde. Alle anderen haben um diese Spirale herum gesessen und weihnachtliche Lieder gesungen. Am Ende waren zahlreiche Kerzen in der Spirale platziert. Es war wirklich eine besondere und super schöne Erfahrung und eine tolle Aktion, um die Adventszeit einzuläuten.
Hinter der Adventsspirale steht der Gedanke, dass Engel die Kinder auf den Weg in die Weihnachtszeit schicken, um am Ende Maria zu begegnen, die einem ein Licht in dieser dunklen Zeit schenkt. So ganz sicher bin ich mir aber leider nicht, ob ich das richtig verstanden habe, aber falls ehemalige Waldorfschüler oder anthroposophisch inspirierte Menschen unter Euch sind, könnt ihr mich gerne korrigieren! In jedem Fall war es sehr schön, diese Lichter in dem abgedunkelten Raum zu beobachten.

Vorbereitung der Kerzen

Die Kerzen werden mit einem Tannenzweig in Äpfel
gesteckt, um sie gut tragen und aufstellen zu können

Adventspirale: Es wurden bereits viele Kerzen
an der großen Kerze in der Mitte entzündet

Am Samstag vor dem ersten Advent wurden dann Adventskränze gemacht, die jetzt an Türen hängen oder auf vielen Tischen im Haus verteilt wurden. Eigentlich hatte ich an diesem Tag frei, aber diese Aktion wollte ich nicht verpassen und habe kurz vorbei geschaut. Letztendlich war ich dann länger als eine Stunde dort, weil alle begeistert waren, wie ich die Adventskränze gebunden habe und sie wollten nicht auf meine Hilfe verzichten (Ich hatte also scheinbar eine sehr gute Lehrerin, eingeweihte Personen können sich vorstellen, wer mir das beigebracht hat.).

Adventskränze binden

Am Sonntag des ersten Advents bin ich dann mit einigen anderen Freiwilligen in das Zentrum Aberdeens gefahren, weil dort die weihnachtlichen Lichter in der Hauptstraße angemacht wurden. Dazu gab es eine kleine Parade mit Dudelsackmusik und weihnachtlichen Kostümen von verschiedenen Gruppen. Es war wirklich wahnsinnig gut besucht und wir haben über eine Stunde auf einen Bus zurück gewartet, der nicht überfüllt war.


Parade in der "Union Street", der Hauptstraße Aberdeens

Umzugswagen mit Santa Clause vom Aberdeen City Council

Davor haben wir noch den Weihnachtsmarkt Aberdeens besucht, der diesem Begriff aber keineswegs gerecht wird. Einige kleine Buden säumten eine Straße, an deren Ende es ein paar freizeitparkähnliche Karussells und eine Openair-Eisbahn gab. Die drei Buden, die Glühwein und Punsch verkauft haben, haben scheinbar nicht mit so einem großen Andrang gerechnet. Wir konnten jedenfalls weder Punsch noch Glühwein kaufen, weil alles ausverkauft war. Zwischenzeitlich wurde der Eingang des Marktes sogar dichtgemacht, weil viel zu viele Menschen nach der Parade über den Weihnachtsmarkt laufen wollten.
Von dem Weihnachtsmarkt und -dorf hier bin ich also sehr enttäuscht. Er hat nicht annähernd das Flair wie Weihnachtsmärkte in Deutschland. Ich freue mich schon sehr, wenn ich zwischen Weihnachten und Neujahr dann den Bielefelder Weihnachtsmarkt unsicher machen kann.

Die Weihnachtsbäume säumen den Eingang des Marktes,
man sieht die Menschenmassen

auf dem Aberdeener Weihnachtsmarkt

Ansonsten kann ich berichten, dass wir in Witiko einen riesigen Adventskalender haben, hinter dessen Türen sich kleine Transparentbilder befinden. Jeden Abend versammeln wir uns also im Wohnzimmer, um ein Türchen zu öffnen und einen Teil einer Weihnachtsgeschichte zu hören. Demnächst werde auch ich einen Tag übernehmen und einen weiteren Teil der Geschichte erzählen.

Außerdem hat bei uns im Haus auch das "wichteling" begonnen. Es ist angelehnt an das deutsche "Wichteln". Wir Mitarbeiter haben unter uns also Namen ausgelost und sollen unserer Person jetzt in der Zeit bis Weihnachten täglich kleine Aufmerksamkeiten zukommen lassen. Der Spaß besteht allerdings darin, dass auch kleine Streiche erlaubt sind. Bis jetzt ist alles noch ganz friedlich verlaufen (ich habe bis jetzt Süßigkeiten und erste Ausschnitte aus einer Weihnachtsgeschichte bekommen). Ich bin allerdings gespannt, was in den nächsten Tagen noch passieren wird. In den letzten Jahren wurden beispielsweise Mülltonnen in die Bäume gehängt, Zimmer verwüstet oder Möbel im Haus verstellt. Mal sehen, ob ich verschont bleibe, ich kann es mir aber nicht vorstellen.

Witikos weihnachtliche Beleuchtung
Auch in der Schule im Deutschunterricht wird
weihnachtlich gebastelt und gesungen

Für große Aufregung hat auch, wie im letzten Eintrag schon angekündigt, die Inspektion in der Schule gesorgt. Vergangene Woche kamen an drei Tagen Leute in die Klassen, um die Schule und den Unterricht zu beurteilen. Die Inspektion im letzten Jahr ist angeblich nicht zu einem guten Ergebnis gekommen, weswegen die Inspektion vergangene Woche angeordnet wurde. Die Lehrerin meiner Klasse hatte mir zuvor schon angekündigt, dass mir Fragen bezüglich meiner Arbeit dort gestellt werden könnten. Ich musste mir daher einige Papiere durchlesen und mir weiteres allgemeines Wissen über die Arbeit in schottischen Schulen aneignen (vom "curriculum for excellence" habe ich vorher z.B. noch nie gehört). Letztendlich haben die Inspekteure allerdings nur zugeguckt und mich mit ihren Fragen verschont.
Insgesamt ist die Inspektion wohl gut verlaufen und die Dinge, die letztes Jahr noch bemängelt wurden, haben sich angeblich deutlich verbessert. Das freut einen natürlich zu hören.


Ansonsten kann ich noch berichten, dass ich mich einmal pro Woche mit anderen Freiwilligen treffe, um englische Weihnachtslieder zu sigen, was wirklich schön ist, Spaß macht und in jedem Fall auch eine Bereicherung für mich ist.
Außerdem übe ich gerade mit drei anderen Freiwilligen ein schwedisches vierstimmiges Lied ein, das wir nächsten Sonntag bei einem Event aufführen werden. Zu viel verrate ich noch nicht, aber wer schon einmal etwas von "Santa Lucia" gehört hat, kann sich bestimmt schon ein Bild machen.

Gestern war ich zusammen mit einer anderen Freiwilligen aus meinem Haus in einer Nachbareinrichtung, die eng mit meiner Einrichtung hier zusammen arbeitet (in der Einrichtung leben allerdings nur erwachsene Menschen mit Behinderung). Dort hat ein kleiner Weihnachtsbasar stattgefunden und es wurden viele Dinge verkauft, die in den Werkstätten erstellt wurden. Das war wirklich schön und ich bin schon gespannt, wie der Weihnachtsbasar hier auf meinem Gelände in knapp zwei Wochen wird.


Zuletzt möchte ich mich noch bei den zwei Personen bedanken, die mir jeweils einen riesigen Adventskalender geschickt haben!!!! Ich musste sogar mein Zimmer umräumen, um Platz für die beiden Kalender zu haben. Ich freue mich wahnsinnig, jeden Morgen zwei Überraschungen zu bekommen und das Ganze erleichtert mir die Zeit auf jeden Fall auch. Das ganze Plätzchenbacken und die weihnachtliche Zeit Zuhause fehlen mir schon sehr.
In weniger als drei Wochen bin ich aber schon wieder Daheim, darauf freue ich mich auch total.


Jetzt ist der Eintrag plötzlich viel länger geworden als gedacht, es gab aber auch einiges zu berichten! Auch in den nächsten Wochen bis Weihnachten werden einige weitere besondere Aktionen stattfinden, über die ich dann in einem anderen Eintrag berichten werde.

Ich wünsche Euch allen eine wunderbare Adventszeit! Ceep calm, Freya:-)