Sonntag, 25. September 2016

Open Day

Gestern war ein sehr besonderer Tag, denn es hat der sog. "Open Day", also Tag der offenen Tür, auf meinem Gelände stattgefunden. Seit Tagen liefen Vorbereitungen, es wurde geputzt, Schilder gemalt, gebacken, und und und. Der Tag an sich war für mich aber eher entspannt, da samstags (und sonntags) ja mein freier Tag ist und ich mir daher alles als Besucher angucken konnte.
Es gab ein Café mit riesiger Kuchenauswahl, einen Eisverkauf und ein großes Barbeque. Vor allem für Kinder waren dann aber eher Attraktionen wie Eselreiten, Kinderschminken, Puppenshows und Kletterwände interessant; es gab wirklich überall etwas zu entdecken. Ein Muss war natürlich eine schottische Musikparade, mit Schottenrock, Dudelsack und allem, was dazu gehört.
Hauptsächlich wurde der "Open Day" natürlich von den Bewohnern des Geländes und ihren Familien besucht. Zur großen Freude kamen aber auch Menschen, die nichts mit der Schule zu tun haben, auf das Gelände. Da Camphilleinrichtungen ja eher abgespaltene kleine Dörfer sind, in die andere Menschen sich eigentlich nie verirren, ist so ein "Open Day" immer eine gute Möglichkeit, um sich der Außenwelt zu öffnen und sich attraktiv zu präsentieren. "Open Days" finden meist einmal im Jahr statt, einen weiteren werde ich also wahrscheinlich in meiner Zeit hier nicht mehr miterleben.

Werbung für den "Open Day" außerhalb des Geländes

Wegweiser auf dem Gelände

Einblick in die Kerzengießerei;
Werkstätten waren auch geöffnet

Ansonsten kann ich von vielen schönen gemeinsamen Aktivitäten berichten, die hier immer wieder stattfinden. Bei so vielen Menschen, die hier zusammen leben, gibt es natürlich einige Geburtstage zu feiern. Meist kommen dann die Leute zu einem schönen Kaffeetrinken mit riesigem Kuchenbuffet oder einem großen Barbeque zusammen. Es wird Musik gespielt und einfach nett beisammen gesessen, diese Momente liebe ich wirklich sehr. Gut, dass morgen gleich zwei Mitarbeiter in meinem Haus Geburtstag haben...:-)

Feier zum 60. Geburtstag

Gemütliches Zusammensitzen mit Coworkern nach Feierabend

Letztes Wochenende habe ich einen kolumbianischen Coworker aus meinem Haus ins Tattoostudio begleitet, zu seinem Geburtstag hat er sich nämlich Geld für ein Tattoo schenken lassen. Ich war selber total aufgeregt, im Endeffekt war es aber relativ unspektakulär- das Ergebnis am inneren Oberarm ist wirklich schön geworden.

Jetzt sind es noch zwei Wochen, bis hier die Ferien beginnen. Bis dahin geht der Alltag weiter, auch wenn man hier eigentlich jeden Tag neue Dinge erlebt.
Inzwischen ist mir auch bewusst geworden, dass die Arbeit hier natürlich nicht ganz ungefährlich ist, gerade, wenn der "schwierigste Bewohner" der gesamten Einrichtung in meinem Haus lebt. Letzte Woche hat er in seinen 5 Minuten einen zwei Meter großen Coworker meines Hauses in Ohnmacht geschlagen. Man muss hier also mit vielem rechnen, aber zu meinem Glück arbeite ich mit friedlichen Bewohnern zusammen. Aber man weiß ja nie.

Am Dienstag findet die erste von vier Mentoring-Stunden statt- dabei kann man sich in Kleingruppen mit anderen Coworkern über seine Erfahrungen austauschen. Das ist sicherlich eine super Möglichkeit, um seine Arbeit zu reflektieren. Ich bin schon sehr gespannt wie es wird!

Insgesamt geht es mir nach wie vor sehr gut. Mich haben auch schon erste Pakete aus Deutschland erreicht, über die ich mich riesig gefreut habe, danke dafür!

Bis bald, ceep calm, Freya :-)

Sonntag, 4. September 2016

Tour über das Camphill Estate

In den letzten Einträgen sind Begriffe wie "Gelände", "Estate", "Haus", "Schüler", "Bewohner", "Coworker" und "Hausmanager" gefallen, die für viele vielleicht nicht so ganz selbsterklärend sind. Daher dachte ich mir, dass ich mal einen kleinen Überblick gebe, wie diese ganze Einrichtung hier aufgebaut ist und wo und mit wem ich lebe und arbeite.

Die "Camphill School Aberdeen" liegt in Aberdeenshire, also in der näheren Umgebung (in einem noblen Vorort) der Stadt Aberdeen (mit dem Auto sind es ca. 30 Minuten bis zur Innenstadt).
Diese Einrichtung ist in drei Gelände, sog. "Estates" eingeteilt, die jeweils 10 Autofahrtminuten voneinander entfernt liegen. Ein Estate kann man mit einem kleinen Dorf vergleichen, die meisten Bewohner verlassen es nicht oft. Das größte Gelände ist das "Murtle Estate". Das Gelände, auf dem ich lebe ist das "Camphill Estate".

Camphill Estate (der gesamte Waldstreifen
links und rechts vom Punkt sowie die
Felder darunter bis zum Fluss)

Camphill Estate Plan (in den eingekreisten
Häusern lebe und arbeite ich)


Das kleinste Gelände, das etwas abgelegener ist und auf dem nur junge Erwachsene leben, die nicht mehr zur Schule gehen, ist das "Cairnlee Estate". Da dieses Estate keine Anbindung an die Schulen hat, die sich auf dem Murtle und Camphill Estate befinden, ist das Cairnlee Estate etwas abgespalten und arbeitet nicht so eng mit den anderen Estates zusammen.

Spielplatz auf dem Camphill Estate

Das Leben spielt sich hauptsächlich in den Häusern ab, in denen die Kinder und Jugendlichen leben. Von diesen Häusern gibt es auf meinem Estate insgesamt vier (Camphill House (das Gründerhaus der gesamten Einrichtung), Camphill Cottage, St Hildas und Witiko). Dort wird gekocht, gegessen, geschlafen,...- man lebt dort wie eine große Familie zusammen. In meinem Haus, dem "Witikohouse", leben fünf Jugendliche mit verschiedenen Behinderungen. Dazu kommen noch drei weitere Kinder mit Behinderung, die nur tagsüber in dem Haus sind und abends zu ihren Familien Nachhause fahren.

Witikohouse von vorne


Witikohouse von hinten

Außerdem leben im Witikohouse die beiden Hausmanager, die das Haus leiten, mit ihren vier Kindern, einem Hund und mehreren Katzen. In dem Haus hat die Familie eine eigene kleine Wohnung.
Neben den Zimmern der Schüler / Bewohner gibt es aber auch noch Zimmer für die ganzen Freiwilligen (=Coworker). Insgesamt hat das Witikohouse neun Coworker, die aus Deutschland, Brasilien, Kolumbien und Ungarn kommen. Momentan sind nur der Brasilianer und ich die Coworker, die für ein Jahr bleiben. Alle anderen absolvieren ein duales Studium für Heilpädagogik an der Universität Aberdeen. Dieser Studiengang kooperiert mit der Camphill School, sodass sie hier leben und jeden Tag arbeiten und drei Mal im Jahr Unterrichtsblöcke an der Uni haben.
Abgesehen davon gibt es auch Menschen, die in dem Haus fest angestellt sind, und jeden Tag zum arbeiten hier her kommen.
Ich allerdings lebe nicht im Witikohouse, sondern in "Beltane", einem kleinen Nachbarhaus, in dem nur Coworker leben. Dort habe ich ein schönes Zimmer. Es gefällt mir super gut, hier zu leben, da man sich abends mit anderen Coworkern in der Küche treffen kann, ohne Rücksicht auf die schlafenden Bewohner des Witikohouses nehmen zu müssen. Drei weitere Coworker aus dem Witikohouse und ein Coworker aus einem anderen Haus leben hier zusammen mit mir auf dem Flur. Im Erdgeschoss lebt der Chef der gesamten Einrichtung zusammen mit seiner Frau (der Lehrerin des Foundation Courses) und einem Sohn. Er ist außerdem der Präsident aller Camphill Communities in Schottland, also ein sehr wichtiger Mann. Seine Frau und er sind sehr nett und sie erkundigen sich stets wie es einem so geht.

Beltane; die drei oberen Fenster über dem Eingang
in der Mitte gehören zu meinem Zimmer

Nach Beltane komme ich allerdings nur in den Pausen und zum Schlafen, das alltägliche Leben spielt sich wie gesagt im Witikohouse nebenan ab.

die Küche in Witiko ist das Herz des Hauses

das Esszimmer

das an das Esszimmer anschließende Wohnzimmer;
hier finden die Morgenkreise statt und man trifft sich
hier vor den Mahlzeiten
Bis zum 19. Lebensjahr gehen die Schüler in die Schule auf dem Camphill Estate oder dem Murtle Estate (Es gibt einen Shuttlebus, der zwischen den Estates hin und her fährt). Nachmittags besuchen sie Workshops, die sich ebenfalls auf den beiden Geländen befinden und die außerdem ganztägig von den Jugendlichen besucht werden, die schon einen Schulabschluss gemacht haben. So gibt es beispielsweise eine Kerzengießerei, eine Holz- sowie Keramikwerkstatt und mehrere Webereien. Auch die Arbeit in verschiedenen Gärten auf den Geländen spielt eine wichtige Rolle.

Garten auf dem Camphill Estate


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Die Aufgabe der Coworker besteht tagsüber darin, die Bewohner in die Workshops zu begleiten und ihnen dort in ihrer Arbeit zu helfen. Einige wenige, zu denen ich glücklicherweise zähle, verbringen den Tag in der Schule, um dort den Bewohnern / Schülern helfend zur Seite zu stehen. Manchmal begleitet man Bewohner auch zu speziellen Therapieangeboten.

Carnelian Schoolhouse (Schule)
Außerdem gibt es auf dem Camphill Estate verschiedene Sportplätze, Therapiegebäude, Gärten, eine Versammlungshalle, mehrere kleine Häuser für Coworker und auch einen Partyraum, der von uns Freiwilligen gerne am Wochenende genutzt wird.
Einmal im Monat findet entweder in dem Partyraum des Camphill Estates oder im Partyraum des Murtle Estates eine Party für alle Freiwilligen statt, die dann gut und gerne von bis zu 70 Freiwilligen besucht wird und bis tief in die Nacht andauert. Es gibt also auch einen Ausgleich für die anstrengenden Arbeitstage...

Ich hoffe, dass diese kleine Tour über das Gelände interessant war und die Bilder euch helfen können, sich mein Leben hier besser vorzustellen.

Ceep calm, Freya:-)

Samstag, 3. September 2016

Der erste Monat

Heute vor genau einem Monat bin ich in der Camphill School Aberdeen angekommen und ich muss wirklich sagen, die Zeit vergeht wie im Flug!
In erster Linie liegt das wahrscheinlich an den langen Arbeitstagen, die inzwischen wirklich anstrengend sind. Gleichzeitig geht der Spaß aber nicht verloren, ich lebe mich mehr und mehr ein und auch die Schüler haben sich an mich gewöhnt und mich in ihr Herz geschlossen. Jeden Tag passieren so viele Dinge, deswegen gibt es auch wieder einiges Neues zu berichten!

Das spektakulärste Ereignis liegt inzwischen zwei Wochen zurück. Die Hausmanagerin meines Hauses hat eines morgens einen Brief von dem Italiener, der zusammen mit mir angekommen ist, an ihrer Wohnungstür gefunden. Darin hat er verschiedene Gründe aufgelistet, die dazu geführt haben, dass er sich in der Arbeit hier überfordert sieht und nun im Flugzeug zurück nach Italien sitzt. Ohne jegliche Vorwarnung haben wir also einen Brief und meinem Raum gegenüber ein leeres Zimmer vorgefunden. Was ein Schock für uns alle! Nicht nur, dass es keine Anzeichen für sein Unwohlsein gab und diese Form des Abbruchs wirklich fragwürdig war. Man hätte in jedem Fall eine Lösung für sein Problem gefunden, hätte er mit jemandem darüber gesprochen...
Wie dem auch sei, mein Haus hat nun jedenfalls einen wichtigen Coworker weniger. Bis Mitte September zwei neue Coworker kommen, müssen einige von uns nun auch an ihren freien Tagen arbeiten und auch Coworker und Hausmanager aus anderen Häusern werden "ausgeliehen", damit wir unseren Alltag mit den Bewohnern bewältigen können. Chaos pur, das jetzt aber mehr oder weniger in den Griff bekommen wurde.

Ansonsten hat inzwischen auch mein "Foundation-Course" begonnen, an dem alle Freiwilligen teilnehmen müssen. Dieser Kurs findet einmal wöchentlich für 2,5 Stunden statt. Dabei lernen wir einiges über Sozial- und Heilpädagogik und allgemein Dinge, von denen wir in unserer Arbeit hier Gebrauch machen können. Einige empfinden es als lästig und unnötig, für mich ist es aber vollkommen okay und einige Inhalte sind wirklich interessant.

Am letzten Wochenende habe ich dann zusammen mit zwei anderen Coworkern aus meinem Haus eine Fahrradtour zu einem Schloss gemacht. Wir haben schon seit zwei Wochen gutes Wetter,
sodass es ein wirklich schöner Ausflug war.
Man muss sagen, dass das Klischee der britischen supergepflegten Gärten vollkommen zutrifft. Vor allem öffentliche Plätze und Sehenswürdigkeiten trumpfen mit wunderschönen Beeten und moosfreien haargenau geschnittenen Rasenflächen.

Drum Castle

Rosengarten vom Drum Castle

Mythengarten vom Drum Castle

Am Sonntagabend hat dann die Silberhochzeit des Eurythmielehrers der Schule stattgefunden, zu der das ganze Gelände eingeladen war. Jedes Haus hat Kleinigkeiten zu essen vorbereitet, sodass am Ende ein großes Buffet zustande gekommen ist. Außerdem haben sich verschiedene Gruppen zusammengeschlossen, um Programmpunkte für den Abend zu gestalten. So gab es zum Beispiel viele Musikbeiträge, kleine Theateraufführungen und Spiele.
Das Highlight war eine Band, die engagiert wurde, um schottische Lieder zu spielen. Dazu wurden dann alle möglichen schottischen Volkstänze getanzt, die wirklich nicht schwer zu lernen sind,
aber trotzdem total Spaß machen, wenn man sie in einer so großen Gruppe tanzt.

Partnertanz auf der Silberhochzeit in der Aula der Schule


Letzte Woche hatte ich außerdem das erste mal ein Supervisionsgespräch, was mir wirklich gut getan hat. Ich konnte einfach mal erzählen wie es mir so geht und was ich mir noch an Unterstützung und Veränderungen erhoffe.
Am gleichen Tag war für mich auch das erste Mal ein Hausmeeting, das genau wie das Supervisionsgespräch nun einmal wöchentlich stattfinden soll. Dabei werden Entwicklungen der Bewohner und andere aktuelle Ereignisse mit allen Coworkern und Angestellten besprochen. So steht jetzt zum Beispiel fest, dass ich im Oktober eine Woche Urlaub haben werde, den ich in Bielefeld verbringen werde. Ich freu mich schon sehr darauf!

Bis demnächst! Ceep calm, Freya:-)